....unser Bericht
zum Einsatz!
 
Lastzug kracht am Stauende auf der Bundesautobahn 9 Nahe Schleiz mit 80 Sachen in einen Gefahrgutlaster
 
Unglaublich, was sich am 02.06.2015 gegen 22:35 Uhr auf der Bundesautobahn 9 bei Schleiz ereignete.
Die Kameraden der Schleizer Feuerwehr wurden bereits um 22:17 Uhr zu einer größeren Ölspur auf die Bundesautobahn 9 zwischen Dittersdorf und Schleiz alarmiert worden. Mit insgesamt 4 Einsatzfahrzeugen waren die 19 Einsatzkräfte auf dem Weg zu Einsatzort, doch dort kamen sie zunächst für längere Zeit nicht an.

Der Einsatzleiter hatte vorausfahrend zur Lageerkundung gerade das Stauende passiert, als ein Mann auf die Straße sprang und hilfesuchend auf einen völlig zerstörten Lastzug hinwies. Die Fahrerkabine war nur noch ein Drittel so lang, wie sie ursprünglich der Hersteller fertigte. Der Fahrer im Wrack eingeklemmt. Von vorn war der Lastzug extrem stark eingedellt, von hinten hatte die Ladung massiv auf das Fahreraus eingewirkt. Rund 100m weiter vorn stand ein Gefahrgutlaster, aus dem deutlich sichtbar ein Gas austrat. Mehrere Menschen rannten umher, dem Fahrer helfen konnte allerdings zunächst niemand.

Auch für die Feuerwehr Schleiz war die Situation völlig überraschend. Umgehend wurden weitere Rettungskräfte des DRK und ein Notarzt alarmiert, später noch ein Rettungshubschrauber aus Nürnberg. Der Einsatz musste binnen Sekunden umgeplant werden. Besonders schwierig war an diesem Einsatz, dass zum einen zunächst alle Menschen aus dem Gefahrenbereich wegen des deutlich abblasenden Stoffes herausgebracht werden mussten und anderseits die Rettung des schwerst eingeklemmten Fahrers höchste Priorität hatte. Mehrere Fahrzeuge mussten aus dem Gefahrenbereich gebracht bzw. dringend abgestellt werden.

Eine Gefährdung der vorgehenden Einsatzkräfte sollte zumindest auf ein Minimum reduziert werden.
Schnell stellte sich heraus, der abblasende Stoff war flüssiger Sauerstoff, der beim Austritt als weißer Nebel mit Eisbildung in Erscheinung trat und dann sich talabwärts langsam auflöste. Insgesamt 24.000 kg flüssiger Sauerstoff waren schlussendlich über den mehrfach beschädigten Tank über rund 5 Stunden ausgetreten. Ein fortgesetztes Einatmen von Konzentrationen an Sauerstoff über 75% kann Übelkeit, Schwindelgefühl, Atemnot und Krämpfe verursachen. Außerdem ist Sauerstoff Brandfördernd und soll von Zündquellen ferngehalten werden. Sauerstoff ist zu 21 % in der Luft, doch zu viel ist gesundheitsschädlich.

Mit zwei Motorlüftern wurde die entstehende Sauerstoffwolke von der Einsatzstelle in eine Senke neben der Bundesautobahn geblasen und löste sich dort auf. Die Rettung des eingeklemmten Fahrers forderte die Einsatzkräfte heraus. Mit Schere, Spreizer und der Seilwinde des HLF 20 arbeiteten sich die Einsatzkräfte langsam zu dem bei Bewusstsein befindlichen Fahrer vor. Dazu wurden vor allem die A-Säule und das Lenkrad achsengerecht nach vorn gezogen und abgeschnitten. Die Tür musste herrausgespreizt und große Teile von Armaturenbrett und Verkleidungen herausgebaut werden. Der Fahrer war zu seinem Glück in der auf ein Drittel reduzierten Fahrerkabine samt seinen Sitz um fast 90 Grad verdreht worden, was ihm überhaupt eine Überlebenschance gab.
Während der Rettungsarbeiten kamen der Rettungsdienst und ein Notarzt an der Einsatzstelle an. Ein Hubschrauber der Polizei kreiste über der Einsatzstelle. Von Nürnberg kam der Rettungshubschrauber, der auf Grund der Gefährdung durch dem Gefahrstoff zunächst auf der Gegenfahrbahn landen musste. Daher kam es nunmehr zur Vollsperrung der gesamten Bundesautobahn am Einsatzort. Die Polizei organisierte eine Umleitung in Richtung Süden durch die Schleizer Innenstadt.

Nach der erfolgreichen Rettung des Fahrers konnten die Einsatzkräfte erst einmal durchatmen. Gespenstisch zog der Sauerstoff neben den Einsatzkräften über die Wiesen nördlich der Autobahn.
Nun wurden mit den Beamten der Autobahnpolizei weitere Schritte besprochen. Ein Teil der Kameraden fuhren um 0:59 Uhr zur eigentlichen zuerst alarmierten Einsatzstelle, um dort das ausgetretene Öl zu binden, jenes ein Fahrzeug nach einem Motorplatzer verloren hatte. Zwei weitere Pkw sind dort auf dem Öl verunglückt bzw. beschädigt worden.
Die am ersten Einsatzort verbliebenen Kameraden beseitigten währenddessen mit 19 Sack Ölbinder einen großen Teil an Betriebsstoffen, die aus dem zertrümmerten Lastzug ausgetreten waren.

Wie es zum folgenschweren Unfall kam, ist noch nicht geklärt. Die Einsatzkräfte hatten während den Rettungsarbeiten den Tacho aus dem Fahrzeug herausgerissen, die Tachonadel war zum Anschlag am Tanklaster bei 80 km/h stehengeblieben.
Vermutlich hatte der Fahrer das Stauende nicht erkannt und war auf dem schon fast stehenden Lastzug nahezu ungebremst aufgefahren.

Die Kameraden der Schleizer Feuerwehr wünschen dem geretteten Lastzugfahrer schnellste Genesung und bedankt sich bei allen Einsatzkräften von Polizei, Rettungsdienst, den Notärzten und der Besatzung des Rettungshubschraubers aus Nürnberg für die gute Zusammenarbeit.

Nachtrag 13:30 Uhr:

Nach aktuellen Pressemitteilungen soll der Fahrer noch in der Nacht operiert worden sein. Laut Informationen der Polizei gänge es dem 55 jährigen Fahrer den Umständen entsprechend gut.
Die Autobahn musste über längere Zeit langsam aufgetaut werden. Der nach unten abblasende flüssige Sauerstoff (der bei steigender Temperatur gasförmig wird) hat eine Temperatur von über -183°C. Man kann bisher noch nicht ausschließen, dass die Fahrbahn Schaden durch die dramatische Vereisung genommen hat.
(1 Liter flüssiger Sauerstoff wird zu 860 Liter gasförmigen Sauerstoff/ 24.000 Liter flüssiger Sauerstoff werden demnach zu 20.640.000 Liter gasförmigen Sauerstoff)
 

 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

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Experten auch in Schleiz jederzeit willkommen
 
 
Es ist kein Geheimnis, dass auch wir uns mit den Einsätzen Anderer beschäftigen. Das Recht hat natürlich jeder und manche scheinen das auch bezüglich unserer Arbeit sehr ausführlich zu tun. Warum auch nicht? Natürlich ist es dann für den Unbeteiligten schwierig, getroffene Entscheidungen immer richtig einzuordnen, die im Übrigen auch nicht immer richtig sein müssen.
Doch nun haben sich bis in kleinste Feuerwehren der Umgebung Experten gefunden, die speziell unseren Einsatz vom 02.06.2015 als Anlass sehen, sich massiv gegen die, aus unser Sicht klaren und richtigen Entscheidungen der Einsatzleitung (hier durch den Stadtbrandmeister) teilweise öffentlich und unkameradschaftlich zu äußern. Auch für uns war die Situation überraschend, denn wir waren eigentlich zu einer gemeldeten Ölspur unterwegs.
Doch nun liebe Gefahrgutexperten! Wie dichtet man denn einen solchen beschädigten Sauerstofftank ab? Entgegen jedem Übungsszenario, waren Löcher und Risse nicht dort, wie schon hundertmal geübt. Anbauteile und Unfallverformungen verdeckten die mehrfachen Risse, ein Herankommen war ausgeschlossen. Oder kann jemand aus dem Saale- Orla- Kreis den fast -200 °C kalten Sauerstoff  mit seiner Gefahrguttechnik auffangen oder gar abpumpen? War das unschädliche Verblasen des Sauerstoffs in die Natur nicht die beste und unkomplizierteste Lösung?
Auch die erfolgreiche und äußerst schnelle Rettung des schwerst eingeklemmten Lkw- Fahrers verdient doch eher Lob als Tadel für die 19 beteiligten Kameraden der Schleizer Feuerwehr. Oder denkt jemand wirklich, eine andere, frühestens nach weiteren 25 Minuten eintreffende Feuerwehr hätte es besser gemacht?
Entscheidend war die Rettung des Menschen, die natürlich im Vordergrund stand. Sie wurde mit hohem Niveau und schnellstmöglich ausgeführt.
Liebe Kritiker: Habt Ihr schon einmal im Leben so nah um ein Menschenleben gekämpft? Die Schleizer Kameraden waren allein in der Woche zweimal diesbezüglich gefragt.

Wir Kameradinnen und Kameraden der Schleizer Feuerwehr haben natürlich volles Verständnis, wenn man unsere Arbeit kritisch betrachtet. Schließlich müssen wir Schleizer Einsatzkräfte auch in die Orte unserer Kritiker eilen, um sie bei Bränden und Hilfeleistungen in ihrer Heimat zu unterstützen.

Die Schleizer Wehrleitung tagt jeden ersten Montag im Monat. Dienstags ist ganzjährig Ausbildung. Wer auch immer meint, uns fachlich unterstützen zu wollen, ist gern eingeladen vorbeizukommen. Außerdem kann natürlich auch jeder bei uns mitarbeiten, wir unterstützen die Kameraden sogar bei der Suche einer Wohnung.
Doch Eines sollte man lassen: Über die Arbeit Anderer zu urteilen, wenn man nicht dabei war. Es ist im Übrigen kein tolles Gefühl, wenn man Menschen gerettet hat und dafür so unkameradschaftlich angegriffen wird.